Dienstag, 25. März 2014

6 Monate Freiwilligenarbeit in Costa Rica


Hallo an alle fleißigen Blogleser!

Leider ist mein letzter Eintrag schon wieder eine Weile her, und er ging über ein Ereigniss das noch länger her ist: Weihnachten. Hier würde es heißen un buen rato - eine lange Zeit, in der ich mich nicht viel gemeldet habe und ihr zurecht viel gewartet und nachgefragt habt... Immerhin habe ich ja auch noch nichts zu meinem Urlaub in Nicaraua geschrieben..An dem Bericht bin ich gerade dran, aber zuvor kommt jetzt erst mal ein anderer Eintrag. Nämlich mein Halbjahresbericht zum aktuellen Stand in meinem Projekt, Familie etc. Dass meine Berichte seltener geworden sind, liegt u.a. an dem Alltag der inzwischen eingekeert ist. Und auch daran, dass im ´Moment Trockenzeit ist - leider nciht mehr allzu lange, im Mai fängt es schon wieder zu regnen an, da wirds dann mit dem verreisen wieder schwieriger... aber bis dahin noch etwas zeit. Jetzt erst mal ein bisschen was zum Lesen:


Liebe ICJA-Angestellten, liebe Familie, Freunde, Förderer und Interessierte,

seid meinem letzten Bericht ist gefühlt nur wenig Zeit vergangen, insgesamt ist es aber drei Monate her, die gefüllt sind von vielen neuen Erfahrungen, Eindrücken und Erlebnissen.

Mein Projekt, in dem ich arbeite ist eine Schule für Kinder und Jugendliche (0-21 Jahre) mit Behinderung. Im November hatten die Schüler gerade das Schuljahr beendet und der weitere Arbeitsmonat bestand für Jenni (meine Mitfreiwillige) und mich aus dem Teilnehmen an Reunionen, dem Abschleifen und Neustreichen der Schaukeln und dem Säubern und Aufräumen der Aulas. In dieser Zeit und zu Schuljahresanfang zeigte sich vor allem die costaricanische Gelassenheit - Tranquilesta - und Unorganisiertheit. Die Schule verfügt über Unmengen an Spielsachen und sonstigen Arbeitsmaterialien. Anstatt am Schuljahresende alles zu sortieren und auszumisten wurde der Großteil nur in Tüten verpackt und Kleinteile, die zu eventuell bestehenden Spielsachen gehörten, weggeschmissen. Am Schuljahresanfang wurde nun wenigstens etwas ausgemistet, aber die Unorganisiertheit machte sich auch hier bemerkbar: Bis vier Tage nach Arbeitsbeginn war die Raumaufteilung nicht sicher, waren nur die Assistenten anwesend, die keinen Einfluss bei der Einrichtung der Aulas hatten und bis auf eine Lehrerin wusste auch niemand über die Verteilung neuer Möbel Bescheid.




Das neue Schuljahr brachte aber nicht nur Chaos, sondern auch viele neue Chancen. So gibt es viel neues Personal, 18 neue Lehrkräfte, die über die Unterstützung aller dankbar sind. Für uns Freiwillige bedeutet das, dass wir nun quasi im Vorteil zu den Lehrkräften stehen, da uns schon das System der Schule bekannt ist und wir vertraut mit einem Großteil der Schüler sind. So durften wir auch die vergangenen Tage mit den Lehrern auf Hausbesuche fahren und die Familien und Wohnsituationen der Schüler kennenlernen. Der normale Schulalltag hat noch nicht begonnen; in den vergangenen zwei Wochen durften wir somit u.a. wiederum an vielen interessanten Reunionen z.B. zu den Aufgabenfeldern der Lehrer teilnehmen. Auch wurden die Lehrer in Kommitees eingeteilt und auch ich kann mich nun im Komitee für Zusammenhalt wiederfinden, in dem v.a. Aktivitäten für die Eltern oder Großeltern geplant werden.


Ein neues Schuljahr bedeutet auch ein neuer Stundenplan. Auf die Bitte unsererseits werden wir diesen zusammen mit unserem Chef zusammenstellen, der auch unseren Wunsch mehr bei den unterschiedlichen Therpien mitzuhelfen eingehen will. Im vergangenen Jahr war die Aufgabe von uns Frewilligen haupsächlich das Assistieren in den Gruppen und einen Tag beim Sportuntericht. Absofort werden sowohl Jenni, als auch ich vorraussichtlich auch in der Physio-, Sprach- und Pferdetherapie mitarbeiten (letztliche soll wieder eingeführt werden). Auch werden wir die Lehrer eventuell auch auf weiteren Haus- oder Schulbesuche begleiten können. Dieser  neue Stundenplan bietet uns die Möglichkeit  viele weitere Aspekte in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung zu lernen und ermöglicht auch die direktere Zusammenarbeit mit den einzelnen Kindern und Jugendlichen.
Im letzten Bericht hatte ich das Problem der Kommunikation angesprochen. Das hatte sich auch im vergangenen Schuljahr noch öfter bemerkbar gemacht, nachdem wir z.B. auch geplant hatten Regale zu bauen, niemand uns aber Bescheid gesagt hatte, dass derartige Möbel gespendet werden würden. Am Anfang des Schuljahres hatten wir auf Nachfrage ein Gespräch mit unserem Chef und haben auch dort das Thema angesprochen. Er hat uns somit über die nächsten geplanten Termine Auskunft gegeben und will in Zukunft Aushänge darüber für die Lehrer machen.
Nach den anfänglichen Komplikationen und dem häufigen Gefühl der Überflüssigkeit, ist die Aussicht groß, dass sich davon in der zweiten Hälfte meines Freiwilligendienstes einiges ändern wird und ich viele weitere gute Erfahrungen machen kann.



Neben dem Arbeiten im Projekt habe ich mich inzwischen sehr gut eingelebt. Mit meiner Gastfamilie verstehe ich mich gut, sie versorgen mich sehr gut und kümmern sich liebevoll um Jenni und mich.
Nach der Ferienpause muss ich erst einmal wieder in einen richtigen Alltag finden. Zweimal die Woche wird seid diesem Jahr eine Art Tanzworkout in unserer Straße angeboten, bei dem meine Gastmama die Haupverantwortliche ist. Die ganze Familie ist meist dort und ich hab auch schon ein paar mal mitgemacht. Jetzt in der Trockenzeit kann man auch nach der Arbeit noch gut was unternehmen; aus der Nachbarschaft hab ich ein paar Leute zum Volleyballspielen kennen gelernt und ein Cousin hat mir ein Rad zum Biken geliehen. Unter der Woche bin ich wie beschrieben unterwegs, froh endlich Sport gefunden zu haben, und am Wochenende wird meist das Land erkundet. Da ich mit Jenni zusammen wohne, war am Anfang der Antrieb nach der Arbeit noch aus dem Haus zu gehen relativ klein, aber ich habe gemerkt, dass es wichtig ist, sich feste Hobbies zu suchen, um nicht in einen alltäglichen Trott zu verfallen und auch nicht den ganzen Tag ‚aufeinanderzuhocken’.

Die neue Sprache zeigt für mich inzwischen fast keine Barriere mehr. Da ich in den Schulferien die Möglichkeit hatte, einen Monat mit einem Tico herumzureisen, habe ich die Sprache schon fest verinnerlicht und denke auch ausschließlich in Spanisch, sobald ich mit einem Einheimischen rede. Was ich im Moment lerne ist undeutliches Gemurmel zu verstehen und Patschuko, die Alltagssprache der Jugendlichen, zu sprechen.


Eine kleine Herausforderung stellte für mich das Weihnachtsfest dar. Ich hoffe ihr alle hattet ein schönes, entspanntes Fest und seid natürlich auc gut in das neue Jahr gekommen! Für mich war es schwierig überhaupt in Weihnachtsstimmung zu kommen. Der Weihnachtsschmuck in der Schule wurde bereits Ende Oktober aufgehängt und dies zu der ungewohnten Jahreszeit, zusammen mit den Weihnachtsfeiern in der Schule Anfang Dezember und den warmen Temperaturen war überaus komisch. Vor Weihnachten organisierte meine Familie ein Weihnachtsfest für Kinder in einem kleinen Dorf, geplant war dann gemeinsam zurückzufahren und in der Familie zu feiern. Am 24. Dezember in der Früh verkündeten dann schließlich meine Gastmama und -schwester, sie würden noch in der Finka bleiben, wir würden alleine mit einer anderen Gastschwester zurückfahren. Ich war enttäuscht, denn für mich war Weihnachten ein Fest der Familie und wenn ich es nicht mit meiner Familie in Deutschland feiern konnte, dann zumindest mit meiner Gastfamilie. Doch was hier wichtiger war, war wohl Neujahr zusammen zu feiern. So fuhren wir schließlich zurück, statt die Weihnachtstraditionen Costa Ricas kennenzulernen kochten wir selbst und machten Bratäpfel zur Nachspeiße, und sangen gemeinsam deutsche Weihnachtslieder. Ein Telefonat mit meiner Familie in Deutschland durfte natürlich auch nicht fehlen – Das war dafür ausführlich lang und überdeckte den anfänglichen Missmut der fehlenden Familie hier. Alles in allem war es schließlich doch ein schönes Weihnachtsfest, bei dem ich aber durchaus auch wieder die Bedeutung deutscher Kulturen bzw. familierer Traditionen zu schätzen gelernt habe.


Da wir die selben Ferien wie die Schulferien hatten, hatte ich nach Weihnachten die Möglichkeit noch eine Monat zu verreisen, wie oben schon kurz erwähnt. Ich nutzte die Gelegenheit ein anderes Land kennenzulernen und reiste mit einem Freund quer durch Nicaragua. Ein direkter Vergleich zwischen den beiden Ländern ist für mich zwar schwierig, da ich in Nicaragua v.a. in den ländlicheren, untouristischen Gegenden unterwegs war und ich hier in Costa Rica bisher weitgehend nur die städtischen und  weniger abgelegeneren Orte kenne. Für mich wirkte Nicaragua aber, als wäre es Costa Rica wie vor etwa 60 Jahren: vieles war einfacher und ärmer und der Einfluss Amerikas in Hinsicht auf Klamottenläden und Fastfoodketten fehlte fast völlig. Nicht zu übersehen, dass es auch in Costa Rica viele arme Gebiete gibt, die wir jetzt auch bei den Hausbesuchen mit den Lehrern kennen lernten, aber doch ist v.a. die Infrastruktur (Wasser, Elektrizität, Schulsystem, Straßen) um einiges ausgebauter in Costa Rica. Die Nicaraguenser dagegen wirkten auf mich auch wesentlicher. So wie ich es bisher beobachtet habe, versteckt sich ein Großteil der Ticos unter einer Fassade. Denn auch wenn, oder v.a. wenn ein Tico wenig Geld hat, ist er vom Äußeren oft perfekt gekleidet und ein Smartphone darf auch nicht fehlen. Diese Fassade überdeckt oft den Charakter und den eigentlichen Lebensstand der Person und ist wohl auch Grund für die vielen Ehebrüche in dem Land.

Ein weitaus schönerer Aspekt allerdings, den ich bisher kennenlernen durfte, ist die Bedeutung von Kirche hier und in Nicaragua. Der Glaube ist sehr wichtig und hier fest in den Alltag der Menschen integriert. In der Schule wird z.B. immer gemeinsam mit den Kindern gebetet und ein Gottesdienst wirkt für mich mehr wie ein offenes, gemeinschaftliches Treffen zum Beten und Singen, das nicht so unpersönlich und ernst ist, wie an vielen Orten in Deutschland. In die Kirche gehen ist für viele so selbstverständlich, wie am Nachmittag Fußball spielen mit den Freunden, so geht man halt mit den Freunden auch zusammen in den Gottesdienst. Demnach gibt es auch viele junge Menschen, die engagiert mitmachen.
Auch wenn man diese Offenheit und Alltäglichkeit loben kann, gibt es durchaus auch Situationen, in denen ich die deutsche Kultur zu schätzen weiß. Teils wird nämlich z.B. während eines Gottesdienstes laut geredet oder herumgegangen, was ich als wiederum als störend und respektlos empfinde – und was ich in Deutschland bisher noch nicht so erlebt habe.

So hat jedes Land seine schönen und seine schlechten Seiten, Costa Rica  wie Deutschland auch. Zur Hälfte ist mein Freiwilligendienst schon um, und ich möchte in diesem Sinne noch einmal allen danken, die mich in dieser Zeit unterstützen! An alle die besten Grüße und ein paar Sonnenstrahlen aus dem heißen Costa Rica!

Hannah Seibold